Einmal auswandern und zurück - manchmal – DW – 07.12.2019 (2024)

In den vergangenen zehn Jahren sind rund 180.000 Deutsche pro Jahr ins Ausland gezogen, während durchschnittlich 129.000 Bundesbürger wieder nach Deutschland zurückkehrten. Das ist einerstes Ergebnis einer Studieder Universität Duisburg-Essen und des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung, die sich mit deutschen Auswanderern und Rückkehrern befasst. Rund drei Viertel dieser Migranten sind hoch qualifiziert.

In Medien und sozialen Netzwerken ist umgehend diskutiert worden, wie zuverlässig die Zahlen seien. Sie resultieren aus der Meldestatistik beim Statistischen Bundesamt - allerdings hat sich die Datenerhebung in dem Zeitraum geändert und die Zahlen lassen sich somit nicht auf das Jahr genau bestimmen. Darum gibt die Studie bewusst nur den Durchschnittswert des Jahrzehnts an, erklärt Andreas Ette, Leiter der Forschungsgruppe beim Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung.

Braindrain: ja oder nein?

Die Mehrzahl der Auswanderer lebt nur eine begrenzte Zeit im Ausland. Statistisch bleibt aber pro Jahr ein Minus von rund 51.000 Menschen, die nicht nach Deutschland zurückkehren. "So ein negatives Wanderungssaldo der eigenen Staatsangehörigen gibt es im Prinzip in allen Industriestaaten", erklärt Ette. Von einem Braindrain, dem Verlust hochqualifizierter Fachkräfte, kann nach seiner Einschätzung aber erst gesprochen werden, wenn deutlich mehr Hochqualifizierte auswandern als zurückkehren. "Hierfür sehen wir in unserer Studie aber kaum Belege", sagt Ette. Bei den deutschen Auswanderern haben demzufolge 76 Prozent einen Hochschulabschluss, bei den Rückkehrern sind es 68 Prozent.

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Ette plädiert dafür, die gesamte Wanderungsbewegung zu betrachten, also auch die Einwanderung von ausländischen Fachkräften nach Deutschland. Diese Bilanz sei positiv. Dieses Argument unterstützt auch Werner Eichhorst von der Denkfabrik Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit (IZA): "Man kann nicht einfach sagen, wir verlieren jedes Jahr 51.000 Leute auf Dauer und deswegen hätten wir Engpässe auf dem Arbeitsmarkt."Der Wissenschaftler hält die Zahlen zu deutschen Auswanderern und Rückkehrern für "überschaubar". Bei etwa 45 Millionen Erwerbstätigen in Deutschland entsprechen sie deutlich weniger als einem Prozent, rechnet er vor.

Gabriel Felbermayr, Präsident des Institut für Weltwirtschaft in Kiel, sieht die Zahlen kritischer: "Wir haben über die letzten zehn Jahre eine halbe Million Menschen ans Ausland verloren und drei Viertel davon sind hochgebildet. Das ist für eine Volkswirtschaft wie die deutsche, die stark auf gut ausgebildete Menschen angewiesen ist, keine gute Nachricht." Ausländische Einwanderer könnten das Minus nicht komplett ausgleichen, da sie nicht immer ausreichend qualifiziert seien.

Ob die deutschen Auswanderer in den Branchen arbeiten, in denen in Deutschland Fachkräftemangel herrscht oder bevorsteht, lässt sich noch nicht sagen, da die entsprechenden Daten noch nicht ausgewertet sind.

Darum wandern Deutsche (vorübergehend) aus

Welche Anreize müsste es für Deutsche geben, damit sie zurückkehren? Um das zu beantworten, muss zunächst klar sein, warum sie überhaupt gegangen sind.

In der neuen Studie befragten die Autoren mehr als 10.000 deutsche Auswanderer und Rückkehrer nach ihren Motiven. Der wichtigste Grund für das Leben im Ausland ist der eigene Job - für fast 58 Prozent der Befragten war das entscheidend. Ein wichtiger Punkt ist dabei auch das Geld. Im Schnitt verdienen die Auswanderer im Monat netto fast 1200 Euro mehr. Selbst wenn man berücksichtigt, dass die Lebenshaltungskosten in anderen Ländern höher als in Deutschland sein können, bleibt ein Plus.

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Für knapp 46 Prozent der Befragten ist der Lebensstil relevant. Darunter fallen in der Studie Faktoren wie besseres Klima, eine andere Lebensart oder das Sammeln neuer Erfahrungen.Mehr als jeder Dritte gibt familiäre oder partnerschaftliche Gründe an - also zum Beispiel, dass die Lebensgefährtin oder der Lebensgefährte aus einem anderen Land stammt. 30 Prozent der Befragten gingen wegen des Berufs des Partners oder der Partnerin in Ausland; 20 Prozent fürs Studium. Am wenigsten relevant war die Unzufriedenheit mit dem Leben in Deutschland.

Das sind Anreize für die Rückkehr

Werner Eichhorst vom IZA spricht von einem Standortwettbewerb nicht nur um Unternehmen, sondern auch um Fachkräfte. "Gerade die international mobilen Höherqualifizierten können sich ihren Job aussuchen und entscheiden: Wie passen die Karrieremöglichkeiten mit der Einkommensperspektive, aber auch mit dem privaten Umfeld zum jeweiligen Lebensabschnitt?" Hier zählen Stichworte wie Kinderbetreuung oder Wohnsituation. Die Politik, so Eichhorst, müssedafür sorgen, dass es nicht nur für Unternehmen günstige Bedingungen gibt, sondern auch für Beschäftigte.

Deutsche Rentner suchen ihr Glück im Ausland

Felbermayr hält besonders den finanziellen Aspekt für ausschlaggebend: "In Deutschland sind Steuern und Abgaben hoch und die Löhne für Hochqualifizierte relativ niedrig." Der Wirtschaftswissenschaftler schlägt vor, sich skandinavische Länder zum Vorbild zu nehmen und Heimkehrer für eine bestimmte Zeit von Sozialversicherungsbeiträgen zu befreien oder die Abgaben zumindest zu reduzieren. Ähnliches könnte er sich bei der Einkommenssteuer vorstellen.

Für den Ökonom geht es gerade im akademischen Bereich auch um Arbeitsbedingungen. "Die Chancen sind im Ausland größer, voranzukommen, einen Durchbruch zu erzielen, sich einen Namen zu machen, als dass das in Deutschland der Fall wäre, weil diese Forschungseinrichtungen oft besser ausgestattet sind." Als positives Beispiel nennt Felbermayr die Schweiz. Dort seien die Universitäten für ausländische Professoren in den vergangenen zehn bis 15 Jahren viel attraktiver geworden, weil viel Geld investiert worden sei. "Das kann man nachmachen."

Punkten mit Sicherheit und Weltoffenheit

Auch Eichhorst sieht deutsche Hochschulen nicht unbedingt als guten Arbeitgeber. Die Jobsicherheit sei nicht sehr groß. An Universitäten werden teils Verträge mit einer Laufzeit von nur drei Monaten ausgegeben. Für den akademischen Bereich schlägt Eichhorst daher vor, mehr unbefristete Stellen zu schaffen oder zumindest deutlich längereVertragslaufzeiten, denn das habe "viele Leute aus Deutschland vertrieben". Punkten könne Deutschland aber in anderen Fragen von Sicherheit wie der Rechtssicherheit oder der sozialen Absicherung. Das spiele gerade für Familien eine Rolle.

Unternehmen könnten sich auch selbst attraktiv machen, denn Eichhorst gibt zu bedenken: "Personen, die schon relativ früh im Leben ins Ausland gegangen sind, haben eine größere Neigung, im Laufe des Berufslebens noch einmal eine Phase im Ausland zu verbringen." Erfahrungen wie ein Auslandssemester, Reisen oder einen Schüleraustausch können den Lebensstil internationaler ausrichten. "Daraus entstehen Erwartungen oder Ansprüche, dass Unternehmen eine gewisse Weltläufigkeit haben." Deutsche Arbeitgeber könnten seiner Ansicht nach höherqualifizierte Absolventen gewinnen oder gar längere Zeit im Unternehmen halten, wenn sie den Angestellten eine Zeit im Ausland ermöglichen.

Trotz allem sieht keiner der Experten einen Grund dafür, den Wegzug Deutscher ins Ausland zu verhindern. "Personen, die im Ausland gewesen sind, sammeln Eindrücke, Erfahrungen und Fähigkeiten im Umgang mit anderen Kulturen, die, wenn sie zurückkommen, für ihre Karriere, aber auch die Wirtschaft von Nutzen sein können", sagt Eichhorst. Das ist ein Gewinn für alle.

Einmal auswandern und zurück - manchmal – DW – 07.12.2019 (2024)

FAQs

Wie viele Deutsche Auswanderer kehren wieder zurück? ›

Immer mehr Menschen verlassen Deutschland. Im Jahr 2022 kehrten 1,2 Millionen Menschen Deutschland den Rücken. Darunter 268.000 mit deutscher Staatsangehörigkeit.

Wann muss ich mich wieder in Deutschland anmelden? ›

Jede in Deutschland lebende Person ist verpflichtet, sich bei der für ihren Wohnort zuständigen Meldebehörde innerhalb von zwei Wochen nach Einzug in die Wohnung anzumelden, § 17 Abs. 1 BMG . Ein Verstoß hiergegen ist eine Ordnungswidrigkeit und kann zu einer Geldbuße führen, § 54 Abs.

Warum kommen Auswanderer zurück nach Deutschland? ›

Die Motive der Auswanderer sind vielfältig: der Wunsch, neue Erfahrungen zu sammeln, treibt sie ebenso an wie berufliche Gründe und partnerschaftliche Motive. Bei der Rückkehr nach Deutschland spielen vor allem familiäre Gründe eine Rolle.

Was muss ich beachten wenn ich wieder nach Deutschland ziehe? ›

Um nach Deutschland einwandern zu können, müssen Sie folgende Kriterien erfüllen:
  • Nachweis der finanziellen Stabilität. ...
  • Krankenversicherung. ...
  • Grundkenntnisse der deutschen Sprache. ...
  • Ein Visum für Deutschland beantragen. ...
  • Befristete Aufenthaltserlaubnis. ...
  • Die Blaue Karte der Europäischen Union – (EU) Blue Card.

Wie viel Geld bekommen die Auswanderer von VOX? ›

Im TV verraten sie: „Wir verdienen schon zwischen 30 000 und 40 000 Euro im Monat. “ Ihr Geld gibt die Influencer-Familie für ein Luxus-Leben auf Zypern aus, von dem viele ihrer Follower nur träumen können.

Wo sind Deutsche Auswanderer beliebt? ›

Die meisten Deutschen wanderten nach Österreich oder in die Schweiz aus. Im Jahr 2022 sind insgesamt 268.167 Deutsche aus Deutschland ausgewandert.

Was passiert wenn man sich nicht aus Deutschland abgemeldet? ›

📊 Meldeadresse und Steuerpflicht: Abmeldung beim Einwohnermeldeamt hat keinen direkten Einfluss auf die Steuerpflicht, kann aber als Indiz für Wohnsitzwechsel dienen. 🚫 Folgen einer verspäteten oder vergessenen Abmeldung: mögliche Geldbußen bis zu 1.000 Euro und andauernde Steuerpflicht in Deutschland.

Was passiert wenn man ins Ausland zieht und sich nicht abmeldet? ›

Wenn Sie sich nicht abmelden, wird Ihre Krankenkasse weiterhin monatliche Beiträge von Ihnen erwarten. Sehr hohe Schulden können entstehen, die von den Krankenkassen auch im EU-Ausland verfolgt werden. Für die Abmeldung reicht ein formloses Schreiben und eine Kopie der Abmeldung beim Bürgeramt.

Kann ich in Deutschland und im Ausland gemeldet sein? ›

Ein doppelter Wohnsitz sowohl in Deutschland als auch im Ausland ist grundsätzlich möglich, aber mit einigen Hürden verknüpft. Es muss klar definiert werden, welcher Staat zuständig ist, da es wie erwähnt steuerliche und sozialrechtliche Auswirkungen hat.

Wie kann ich wieder zurück nach Deutschland? ›

Wenn Sie die Staatsangehörigkeit von EU/EWR/Schweiz haben, dann brauchen Sie kein Visum. Sie können nach Deutschland einreisen und hier arbeiten. Sie brauchen für die Einreise nur einen gültigen Identitätsnachweis. Nach Ihrer Einreise brauchen Sie auch keine Aufenthaltserlaubnis für einen längerfristigen Aufenthalt.

Wie kann ich in die USA auswandern? ›

Auswanderer benötigen für den langfristigen Aufenthalt in den Vereinigten Staaten ein Visum, das noch aus Deutschland beantragt werden muss. Greencard nennt sich das Einwanderungsvisum für die USA, das eine zeitlich unbefristete Aufenthaltsgenehmigung und Arbeitserlaubnis bietet.

Wie viele Auswanderer kommen nach Deutschland zurück? ›

Von etwa 122000 Deutschen, die zwischen 1996 und 2006 ihren Wohnsitz in das EU-Ausland verlagerten, kehrten 95000 wieder nach Deutschland zurück, das sind 78 Prozent. Diese Menschen haben ihr Heimatland also nicht endgültig satt.

Kann ein Amerikaner in Deutschland bleiben? ›

Das heißt, sie brauchen für diese Zeit keinerlei Aufenthaltstitel und ein gültiger US-Reisepass reicht aus. Sollten Sie länger als 90 Tage in Deutschland bleiben oder dort arbeiten oder studieren wollen, dann müssen Sie eine Aufenthaltsgenehmigung beantragen.

Was passiert wenn man mehr als 6 Monate im Ausland ist? ›

Wenn Sie im Besitz einer Niederlassungserlaubnis sind und sich länger als sechs Monate am Stück im Ausland aufhalten möchten, kann die Ausländerbehörde prüfen, ob in Ihrem Fall eine sogenannte Nichterlöschensbescheinigung (umgangssprachlich: „Rentnerbescheinigung“) ausgestellt werden kann.

Was passiert wenn man sich in Deutschland abmeldet? ›

Nach der Abmeldung aus Deutschland kannst du kein Auto oder Moped bzw. Kraftfahrzeug mehr in Deutschland auf dich zulassen und mit deutschem Kennzeichen führen. Ein noch auf dich zugelassenes KFZ kann jedoch weiter auf dich laufen.

Was ist das beliebteste Ziel deutscher Auswanderer in Europa? ›

Aktuelle Zahlen Die Schweiz ist das beliebteste Ziel deutscher Auswanderer in Europa. Wenn Deutsche auswandern, dann wandern sie oft nicht weit und bleiben an den Alpen hängen. Bei der Zahl der Einbürgerungen liegt auch ein Land im Norden Europas weit vorn.

Wie viele Deutsche verlassen jedes Jahr Deutschland? ›

Die Wegziehenden sind größtenteils Deutsche. Sie machten im Jahr 2022 mit knapp 270.000 fast ein Viertel aller Wegzüge aus der Bundesrepublik aus.

Wie hoch ist die Abwanderung in Deutschland? ›

Der Wanderungssaldo betrug damit +393.342 und stieg im Vergleich zum Jahr 2020 (+248.607) um 58,2 Prozent. Bei Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit ist die Abwanderung im Vergleich zu 2020 ebenfalls gestiegen, und zwar relativ deutlich um 12,5 Prozent (247.829, 2020: 220.239 Fortzüge).

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